„Das ist ja anstrengend“
Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse sind für einen Tag Abgeordnete des Hessischen Landtags
Gesetzgebung ist anstrengend und kompliziert, so oder so ähnlich haben sich die beiden PoWi-Klassen 10b und 10f von Herrn Patzelt geäußert, nachdem sie am Donnerstag, dem 14. November, am Planspiel „Wir sind Abgeordnete“ im Hessischen Landtag teilgenommen haben. Im Rahmen der Veranstaltung trafen die Schülerinnen und Schüler Abgeordnete der fünf im Landtag vertretenen Parteien und erarbeiteten im Laufe des Tages in einem Rollenspiel Gesetzesvorschläge zu den Themen „Nachhaltiger Verkehr“ und „Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre“.
Der Tag begann früh um 7.40 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof, wo der Zug nach Wiesbaden pünktlich um 7.53 Uhr abfahren sollte. Pünktlich? – Nicht im RMV. Nach verschiedenen Vertröstungen über den Lautsprecher setzte sich der Zug mit 35 Minuten Verspätung endlich in Richtung Landeshauptstadt in Bewegung. Für das Thema „Nachhaltige Verkehrspolitik“, über das an diesem Tag im Simulationsspiel „Wir sind Abgeordnete“ gestritten werden sollte, gab es also schon einmal Erfahrungswerte aus allererster Hand.
Nach flottem 20-minütigem Fußmarsch durch die Wiesbadener Innenstadt hatte die Gruppe ein bisschen Verspätung aufgeholt und wurde von den freundlichen Mitarbeitern des Landtags durch die Sicherheitsschleuse geleitet. Eine andere Schülergruppe aus Mittelhessen, die ebenfalls an dem Planspiel teilnahm, war zwar mit Bus angereist, aber aufgrund von Stau auf der Autobahn noch später dran als die Vertreter des Gymnasiums Nord. – Noch mehr Stoff für das Thema „Nachhaltige Verkehrspolitik“.
Der erste Programmpunkt sah ein 45-minütiges Treffen mit Abgeordneten der fünf im Landtag vertretenen Parteien vor. Dazu nahmen die Schülerinnen und Schüler im Plenum des Landtags Platz – und zwar auf den Sitzen derjenigen Fraktionen, denen sie zuvor bei der Vorbereitung des Planspiels im Unterricht zugeteilt worden waren. Die Abgeordneten Tanja Jost (CDU), Anna Nguyen (AfD), Marcus Bocklet (Grüne) und Oliver Stirböck (FDP) nahmen Plätze auf der Regierungsbank ein. – Turgut Yüksel (SPD) traf etwas später ein, auch er ein Opfer der Verspätungen im öffentlichen Personennahverkehr.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der Abgeordneten konnten die Schülerinnen und Schüler selbst Fragen an die Politiker richten – ganz wie im echten Abgeordnetenleben mithilfe von Mikrophonen und einer Sprechanlage, über die das Wort erteilt wurde. Nach anfänglichem Zögern machten die Schüler davon regen Gebrauch – auch mit durchaus kritischen Fragen, wie zum Beispiel zu der von der Landesregierung beschlossenen Verschiebung der Besoldungserhöhung für hessische Beamte, die Elisha (10b) stellte. Zwar versicherten die Abgeordneten, dass sie sich trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit eigentlich in der Regel gut verstünden, jedoch wurde der Ton zwischen den Politikern im Verlauf des Gesprächs zuweilen recht scharf, um den jeweiligen Standpunkt deutlich zu machen.
Im Anschluss fand unter Anleitung der Landtagsmitarbeiter die konstituierende Sitzung des Landtags für das Planspiel statt. Die Rolle von Elias (10b) als Alterspräsident des Landtages war es, die Wahl zum Landtagspräsidenten durchzuführen. Als Angehöriger der Konservativen Partei, der größten Fraktion, wurde Anas (10b) zum Landtagspräsidenten gewählt. Er leitete für den Rest des Tages die Sitzungen des Landtags und musste für den ordnungsgemäßen und ruhigen Ablauf der Debatten sorgen. Ihm zur Seite standen mehrere Schriftführerinnen und Schriftführer, darunter Carina (10f), Luzia (10f) und Aysema (10b). Bei der Wahl zur Ministerpräsidentin bekam eine Schülerin der Schule aus Mittelhessen den Vorzug. Bei der Wahl der Minister hatte wieder das Gymnasium Nord die Nase vorn: Harneet (10b) wurde für die Arbeitnehmerpartei Verkehrsminister, Jakob (10b) für die Konservative Partei Innenminister. Außerdem wählten die Fraktionen ihre Vorsitzenden. Für die Alternative Partei wurde Nikolas (10f) zum Vorsitzenden gewählt, für die Freiheitliche Partei Jakob (10f). Den Fraktionsvorsitz der Konservativen Partei, der Ökologischen Partei und der Arbeitnehmerpartei übernahmen Schülerinnen und Schüler der anderen Schule.
Bevor die Schüler zu Beratungen in ihren Fraktionen zusammenkamen, gab es die Gelegenheit, erste Erfahrungen am Rednerpult des Landtages zu sammeln. Alle Schüler konnten an das Rednerpult treten, um sich in Anlehnung an die traditionelle Begrüßungsformel im Hessischen Landtag mit folgenden Worten an das Plenum zu wenden: „Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist …. Ich bin Abgeordnete/r der … Partei.“ Einer Reihe von Schülerinnen und Schülern kostete es etwas Überwindung, sich vor den gesamten Landtag zu äußern. Schlussendlich haben aber alle ihre „Jungfernrede“ sehr souverän absolviert.
Nach den anschließenden Fraktionssitzungen, in denen erste Forderungen und Standpunkte der Parteien formuliert wurden, gab es für alle ein Mittagessen im Foyer des Landtages.
Auf dem straffen Zeitplan des Tages stand als nächstes die Vorstellung der verschiedenen Vorschläge der Fraktionen zu den beiden Themen im Plenum des Landtages. Vor allem die Ministerpräsidentin, die Fraktionsvorsitzenden sowie Verkehrsminister Harneet nahmen hier die Gelegenheit wahr, ihre Positionen den Abgeordneten zu verdeutlichen.
Im Anschluss an das Plenum fanden erneut Fraktionssitzungen zum Austausch nach der Landtagsdebatte statt. Darauf folgte die Beratung der verschiedenen Anträge im Verkehrs- und Jugendausschuss, wo am Ende über eine Empfehlung für die Beschlussfassung im Landtag entschieden wurde. Im Verkehrsausschuss kam es hier zu dem seltenen Fall, dass die Regierungsfraktionen von der Konservativen und der Arbeitnehmer-Partei einen Vorschlag der oppositionellen Fraktion der Alternativen Partei in ihren Antrag aufnahmen, nämlich für einen besseren Lärmschutz an Güterzugstrecken zu sorgen. Ansonsten wurden in den Ausschüssen nach Regierungsmehrheit abgestimmt und die Vorschläge der oppositionellen Fraktionen verworfen.
Nach abermaligen Beratungen in den Fraktionen, in denen das Abstimmungsverhalten während der abschließenden Plenarsitzung festgelegt wurde, traten die Abgeordneten wieder im Landtag zusammen. Zunächst schilderte die Berichterstatterin des Jungendausschusses kurz den Verlauf der Diskussion und gab dann die Abstimmungsempfehlung des Ausschusses für die verschiedenen Anträge bekannt. In der anschließenden Debatte kamen die Vertreter der Fraktionen sowie Innenminister Jakob zu Wort, um das Abstimmungsverhalten ihrer Parteien zu begründen. Schließlich rief Parlamentspräsident Anas die verschiedenen Anträge zur Abstimmung auf und die Abgeordneten gaben ihre Zustimmung oder Ablehnung per Handzeichen zur Kenntnis. Dem gleichen Verlauf folgten anschließend die Debatte und die Abstimmung über die Anträge zur Senkung des Wahlalters. Wie zu erwarten war, setzte sich in beiden Abstimmungen die Regierungsmehrheit aus Konservativer und Arbeitnehmer-Partei durch, wobei der Antrag der Regierungsfraktionen zu „Beibehaltung des Wahlalters bei 18 Jahren“ auch von der Ökologischen Partei und der Alternativen Partei unterstützt wurde – auch dies eher ein seltener Fall im echten parlamentarischen Alltag.
In einer abschließenden Feedback-Runde mit den Spielleitern und Mitarbeitern des Landtags äußerten sich die Schülerinnen und Schüler beider Schulen sehr positiv über das Planspiel. Vor allem sei ihnen bewusst geworden, wie zeitintensiv das Gesetzgebungsverfahren sei und wie stark die Politikerinnen und Politiker dabei gefordert würden. Der unvergessliche Tag im Hessischen Landtag endete gegen 17.00 Uhr. Die Rückfahrt nach Frankfurt war dann nicht mehr ganz so nervenaufreibend wie am Morgen – obwohl wieder kein Zug pünktlich fuhr. Nachhaltige Verkehrspolitik ist wirklich ein wichtiges Thema.