
So sieht es also aus dieser Perspektive aus. Berichte vom Q2-Projekttag „Rassismus/ Fundamentalismus/ Antisemitismus/ Islamfeindlichkeit“
Workshop 1: Islamfeindlichkeit, Referent: Dr. Mohammed Johari, Imam vom Verein „Islamische Informations- und Serviceleistungen“
Am 27. Juni 2024 veranstaltete die Q2 unserer Schule einen aufschlussreichen Projekttag zum Thema „Rassismus“. Unter der fachkundigen Leitung von Herrn Dr. Mohammed Naved Johari wurden in einem Workshop die verschiedenen Facetten von Islamfeindlichkeit und deren Auswirkungen eingehend beleuchtet.
In intensiven Gesprächsrunden wurde deutlich, dass Rassismus und Vorurteile häufig aus Unwissenheit und fehlender Kommunikation resultieren. Eine zentrale Erkenntnis war die Notwendigkeit von Aufklärung und offenem Dialog in Bildungsinstitutionen, um Diskriminierung entgegenzuwirken und das Bewusstsein für die Vielschichtigkeit der Problematik zu schärfen. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Repräsentation und dem Empowerment von Minderheiten gewidmet, um strukturellem Druck und Diskriminierung effektiv zu begegnen. Es zeigte sich, dass mangelnde Repräsentation oft zu einem Gefühl von Verdrängung und Druck führt, was wiederum Selbstverleugnung und die Übernahme von Fremdzuschreibungen nach sich zieht.
Ein höheres Bewusstsein für die eigene Identität und die Mechanismen der Diskriminierung kann helfen, diese Selbstverleugnung zu überwinden. Diese Selbsterkenntnis sollte durch eine liebevolle und akzeptierende Umgebung unterstützt werden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Einschüchterung oft zu Resignation und der Haltung „Es ist mir egal“ führt.
Es wurde ebenfalls betont, wie wichtig es ist, Menschen nicht aufgrund äußerlicher Merkmale zu klassifizieren und zu rassifizieren, da dies zu systematischer Diskriminierung und Marginalisierung führt. Positivbeispiele wie die Serie „Türkisch für Anfänger“ verdeutlichten, wie Medien zur Aufklärung beitragen können, während gleichzeitig die Verantwortung dieser Institutionen für den Umgang mit diskriminierenden Inhalten hervorgehoben wurde. Ebenso wurde die häufige Erwähnung der Kultur oder Religion eines Täters in den Medien bei Mordfällen kritisiert. Solche Erwähnungen sind nicht gewinnbringend und tragen dazu bei, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit zu verstärken, anstatt zur Aufklärung beizutragen. So stellt eine Religion nicht den Nährboden solcher grauenhaften Taten dar, vielmehr ist es das radikale Gedankengut Einzelner, die eine verzerrte Ansicht beflügeln.
Rassismus und Diskriminierung dürfen in unserer Schule keinen Platz haben. Wir verpflichten uns, eine inklusive und respektvolle Lernumgebung zu fördern, in der Vielfalt als Bereicherung anerkannt wird. Aufklärung und offene Kommunikation sind unerlässlich, um Vorurteile abzubauen und ein tiefes Verständnis für die Auswirkungen von Rassismus zu entwickeln. Jede und jeder Einzelne trägt Verantwortung und ist aufgerufen, aktiv gegen Diskriminierung einzutreten. Nur gemeinsam können wir eine Schule gestalten, die frei von Vorurteilen ist und in der alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen respektiert und unterstützt werden.
Abschließend möchten wir unseren tiefen Dank an Herrn Dr. Mohammed Naved Johari aussprechen, dessen fundierte Expertise und einfühlsame Moderation diesen Projekttag zu einem wertvollen Erlebnis gemacht haben. Ebenso gilt unser Dank Herrn Krieger, Frau Ludwig, Frau Zausch, Frau Herrmann, Herrn Karaer und allen weiteren Beteiligten, die durch ihre engagierte Mitwirkung diesen Tag ermöglicht haben. Ihr Einsatz hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir wichtige Erkenntnisse gewinnen und einen konstruktiven Umgang mit dem Thema Rassismus verschiedenster Naturen entwickeln konnten.
Mohamed Lebchir, 12 ML
Workshop 2: Antisemitismus, Referent: Jakob Manasherov, Jüdisches Museum Frankfurt
Am 27.06.2024 fand der Projekttag „Rassismus/Fundamentalismus/Antisemitismus/
Islamfeindlichkeit“ am Gymnasium Nord statt. Die Schüler:innen konnten sich frei in Themengruppen einwählen.
Es beschäftigten sich rund 10 Schüler:innen gemeinsam mit Frau Ludwig und Herrn Manasherov vom Jüdischen Museum intensiv mit dem Thema Antisemitismus. Ziel des Tages war es, das Bewusstsein für antisemitische Strukturen und deren Auswirkungen zu schärfen sowie die Wichtigkeit des Engagements gegen Diskriminierung zu betonen.
Zu Beginn des Projekttages stellten sich alle Teilnehmer:innen vor inklusive ihrer Lieblingseissorte. Im nächsten Schritt tauchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Herrn Manasherov in die Geschichte des Judentums ein und erfuhren, dass Antisemitismus die Menschen jüdischen Glaubens schon immer begleitet hat. Daraufhin wurde der Begriff Antisemitismus erklärt und die verschiedenen Arten aufgezeigt:
1. Klassischer Antisemitismus: Dieser basiert auf traditionellen Vorurteilen und Stereotypen gegenüber Juden.
2. Israelbezogener Antisemitismus: Hierbei handelt es sich um Kritik an Israel, die in antisemitische Aussagen übergeht.
3. Sekundärer Antisemitismus: Diese Form tritt auf, wenn die Erinnerung an den Holocaust geleugnet oder relativiert wird oder wenn Jüdinnen und Juden für die Erinnerungskultur an den Holocaust verantwortlich gemacht werden.
4. Antizionismus: Dies beinhaltet die Ablehnung des Rechts auf Selbstbestimmung des jüdischen Volkes im Staat Israel. Es ist wichtig zu unterscheiden, dass nicht jede Kritik an der Politik Israels antisemitisch ist, sondern erst dann, wenn sie jüdische Menschen als solche diffamiert oder Israel das Existenzrecht abspricht.
Um das neu erlangte Wissen in lockerem Rahmen zu überprüfen, wurde ein Quiz durchgeführt. Dabei wurden verschiedene Situationen vorgestellt, die den unterschiedlichen Arten des Antisemitismus zugeordnet werden sollten. Es wurde deutlich, dass sich diese Arten oft überschneiden können.
Ein aktueller Blick auf die Gegenwart seit dem 7. Oktober zeigte, wo auf Demonstrationen antisemitische Sprüche zu lesen waren. Besonders berührend für mich war der persönliche Bericht von Jakob Manasherov, der sehr offen auch über eigene Erlebnisse sprach.
Zum Abschluss des Tages gestalteten die Schüler und Schülerinnen Plakate, die antisemitische Parolen aufgriffen und den Antisemitismus dahinter erklärten. Diese Plakate wurden in der großen Abschlussrunde vorgestellt und der gesamte Tag noch einmal reflektiert.


Persönlich habe ich in dieser berührenden Abschlussrunde an die Worte der Philosophin Carolin Emcke bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in Frankfurt 2016 gedacht: „Wir können immer wieder anfangen. Was es dazu braucht? Nicht viel: etwas Haltung, etwas lachenden Mut und nicht zuletzt die Bereitschaft, die Blickrichtung zu ändern, damit es häufiger geschieht, dass wir alle sagen: Wow. So sieht es also aus dieser Perspektive aus:“.
Mir hat dieser Projekttag einmal wieder vor Augen geführt, dass das Gespräch auf demokratischen Werten und auf Fakten basieren muss und, gerade in Zeiten wie diesen, nicht abreißen darf. Als Bürger:innen können und müssen wir jeden Tag dafür einstehen, im Großen wie im Kleinen. Auch in unserer Schule.
Herzlichen Dank an alle Referentinnen und Referenten und die Planungsgruppe dieses Projekttages, allen voran Herrn Dr. Krieger für die Organisation und Durchführung!
Frieda Kühn, 12 BL
Workshop 3: Philosophische Antworten auf Fundamentalismus, Referent: Dr. Martin Krieger
Im Rahmen eines Anti-Rassismus-Tages am Gymnasium Nord nahmen wir (die Schülerinnen und Schüler der Q-Phase) an drei Workshops teil. In einem davon, geleitet von Dr. Martin Krieger und Lea Zausch, sollte es um philosophische Antworten auf Fundamentalismus gehen. Unsere Workshoparbeit basierte auf einem von Herrn Dr. Krieger zusammengestellten Reader, aus dem im Folgenden zitiert wird.
Zunächst definierten wir den Fundamentalismus-Begriff unter drei Voraussetzungen:
- “religiöse Literalität = eine wortwörtliche Auslegung heiliger Schriften; Verzicht auf eine historisch-kritische Exegese”;
- “Ablehnung der Moderne: eine negative Haltung gegenüber modernen Wissenschaften und gesellschaftlichen Entwicklungen”;
- “der Versuch sozialpolitischer Eingriffe mit der Intention, eigene weltanschauliche Prinzipien in der staatlichen Gesetzgebung zu verankern”.
und teilten persönliche Erfahrungen oder generelle Beispiele für dieses Phänomen. Dabei kamen vor allem religiöser, aber auch anderweitig ideologischer Fundamentalismus auf.
Daraufhin konnten wir bereits zu den philosophischen Ansätzen überleiten und führten zuerst die “reflexive Aufklärung” ein.
Reflexive Aufklärung bietet eine Lösung gegen Fundamentalismus, indem sie Selbstkritik, die Anerkennung der Grenzen des eigenen Wissens und eine dynamische, interdisziplinäre Perspektive fördert. Diese Herangehensweise ermutigt dazu, starre Überzeugungen und dogmatische Ansichten zu hinterfragen, indem sie Offenheit für neue Erkenntnisse und ethische Verantwortung betont. So wird die Bereitschaft gestärkt, komplexe Probleme differenziert zu betrachten und extremistische Denkweisen zu überwinden.
Wissen ist nicht statisch, sondern entwickelt sich kontinuierlich weiter. Eine Haltung der Offenheit und des fortwährenden Lernens ist notwendig, um auf neue Erkenntnisse und Veränderungen adäquat reagieren zu können. Diese dynamische Sichtweise fordert dazu auf, stets bereit zu sein, alte Überzeugungen zu revidieren und neue Informationen zu integrieren.
Ein weiteres Kennzeichen der reflexiven Aufklärung ist die Interdisziplinarität. Sie fördert die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen, um ein umfassenderes Verständnis komplexer Probleme zu erreichen. Die Anerkennung, dass kein einzelner Wissensbereich ausreicht, um die Herausforderungen der modernen Welt vollständig zu begreifen, ist essenziell.
Dies bildete bereits die Überleitung zum zweiten Ansatz, den der interkulturellen Philosophie.
Interkulturelle Philosophie und interkulturelle Diskurse bieten eine Lösung gegen Fundamentalismus, indem sie den Austausch und das Verständnis zwischen verschiedenen Kulturen fördern. Sie ermutigen dazu, unterschiedliche Perspektiven und Werte anzuerkennen und respektvoll zu diskutieren. Durch diese Offenheit und den Dialog werden starre, einseitige Überzeugungen aufgebrochen und ein gemeinsames Verständnis sowie Toleranz gestärkt, wodurch extremistische und fundamentalistische Ansichten überwunden werden können.
Dieses Konzept sollten wir in Gruppen praktisch auf konkrete Beispiele, ausgedrückt durch Problemfragen, übertragen:
- Sollen muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Schulen ein Kopftuch tragen dürfen? Wie könnte ein interkultureller Diskurs zu diesem Problem an einer Schule aussehen?
- Dürfen die Kirchen verlangen, dass alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer christlichen Konfession angehören? Wie könnte ein interkultureller Diskurs zu diesem Problem aussehen?
- Sollen Stadtverwaltungen die Verteilung von Gratis-Koranen durch Salafisten verbieten? Wie könnte ein interkultureller Diskurs zu diesem Problem in einer Kommune aussehen?
- Wie gehen wir mit antisemitischen und anderen rassistischen und intoleranten Äußerungen an deutschen Schulen um? Wie könnte ein interkultureller Diskurs zu diesem Problem an einer Schule aussehen?
Die Diskussionen zu den Fragen waren lebhaft, komplex und gehaltvoll. Zwar resultierte kein direkter Konsens (das war letztendlich auch nicht Ziel), es wurden aber interessante Ideen auf der konkreten Ebene der genannten Beispiele sowie auf der konzeptuellen Ebene des interkulturellen Diskurses ausgetauscht. Einerseits wurden die Grenzen dieses Konzepts deutlich gemacht: Mit sich widersprechenden Prämissen habe ein interkultureller Diskurs wenig Chance auf die erhofften Ergebnisse; andererseits wurde die Bedeutung solcher Diskurse für die Schaffung von Toleranz, Selbstreflexion und Verständnis für andere Weltansichten betont.

Der Anti-Rassismus-Tag am Gymnasium Nord hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig es ist, Vorurteile abzubauen und ein respektvolles Miteinander zu fördern. Dieser Tag hat uns alle daran erinnert, dass jeder Einzelne Verantwortung trägt, Rassismus entgegenzutreten und eine inklusive, offene Schulgemeinschaft zu gestalten. Gemeinsam können wir eine Zukunft schaffen, in der Respekt und Verständnis im Mittelpunkt stehen, welchen Ansatz man auch wählt.
Anvita Thakur, 12 EL

