Zwei Berichte: Exkursion in die NS-Gedenkstätte Buchenwald vom 4.-6. April 2022

Unsere Exkursion in die NS-Gedenkstätte Buchenwald (4. – 6. April 2022) aus Schüler:innensicht

Am Montag stiegen 20 motivierte Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe in den ICE Richtung Weimar. Die Reise sollte zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald führen, wo hunderttausende Menschen während der NS-Zeit unter grausamsten Bedingungen gefangen gehalten wurden.

Als wir nach einer langen Hinreise ankamen, buchten wir uns erstmal in die Jugendherberge ein. Diese ist eine renovierte ehemalige Kaserne der SS-Männer, die dort stationiert waren. Buchenwald war nämlich nicht nur ein reines Arbeitslager für Gefangene, es diente auch der Rüstungsproduktion und der Ausbildung der SS.

Nach dem Mittagessen trafen wir dann auf unseren Guide für die kommenden Tage, Herr Rook. Er arbeitet schon Jahrzehnte lang in der Gedenkstätte und seine Weise, Geschichten aus der damaligen Zeit wiederzugeben hat das Interesse der Schüler immer wieder geweckt. Gemeinsam analysierten wir ein historisches Luftbild und entdeckten dabei schon viele sehenswürdige Orte.

Daraufhin machten wir uns zu unserem ersten Rundgang auf. Wir sahen die Schienen und den Bahnhof, zu dem tausende Häftlinge transportiert wurden. Weiter ging es an das Gebäude des SS-Lagervorgesetzten und durch den „Karacho-Weg“, wo die Häftlinge zum Lager durchgeführt wurden. Oft wurden sie dabei von jungen SS-Männern beschimpft und geschlagen. Letztlich kamen wir beim Eingang zum Häftlingslager an. Das imposante Tor trägt die berüchtigte Aufschrift „Jedem Das Seine“, eine perverse Umdrehung einer alten römischen Gesetzesgrundlage. Auf der großen Uhr über dem Tor steht die Uhrzeit auf 15:15 Uhr, die Zeit, zu welcher das Lager von den Amerikanern befreit wurde. Unsere Führung endete dann am Appellplatz, auf welchem sich jeden Morgen die Häftlinge aufstellen und durchzählen lassen mussten. Zwar war das Wetter kalt und windig, doch Herrn Rooks brillante Erklärungen der Funktionsweisen des Lagers und der Schicksale einzelner Häftlinge, sowie seine tollen geschichtlichen Kenntnisse haben es wieder wett gemacht. Anschließend erkundeten wir in Gruppen weitere Orte im Lager, manche begaben sich zur Steingrube, andere zu den Pferdeställen und wieder andere zum Zoo.

Der zweite Tag begann wieder mit einer Führung, diesmal durch das Häftlingslager. Wir wanderten auf Wegen, welche von den Häftlingen von Hand gepflastert werden mussten. Wir besuchten die Blöcke der Sinti und Roma, der sowjetischen Kriegsgefangenen, den Kinderblock und weitere. Wir alle hatten viele Fragen zum Leben der Häftlinge und Herr Rook konnte sie alle gut beantworten. Die Grausamkeit der Taten ging jedoch nicht spurlos an den Schülern vorbei. Die Führung ließ die Schüler mit Bedenkzeit und vielen Emotionen zurück. Vor dem Mittagessen ging es dann noch zur Baracke für kranke Häftlinge, in welcher wir auch archäologische Fundstücke begutachten und anfassen konnten. Auf dem Rückweg schauten wir uns die „Hygienestation“ an, wo die SS-Ärzte Versuche mit Krankheiten wie Fleckfieber an Gefangenen durchführten. Viele Häftlinge erlagen diesen Experimenten.

Am Nachmittag ging es dann in die Stadt Weimar. Diese ist nur knapp 7 km von Buchenwald entfernt. Herr Rook führte uns vom Bahnhof, wo die Häftlinge meistens erstmal ankamen, über das Theater, in welchem Hitler einen Reichsparteitag abhielt, runter zum Hotel Elephant. Bei dieser Führung ging es vor allem um die Rolle der Stadt und der Bürger Weimars bei diesem Verbrechen. Anschließend durften wir in Gruppen selbständig Weimar erkunden. Manche entschieden sich für Wahrzeichen wie die Anna-Amalia-Bibliothek, andere gingen lieber im Einkaufszentrum shoppen. Genug zu tun gab es aber auf jeden Fall.

Am Mittwoch hatten wir leider nur wenig Zeit, da wir gleich um 13 Uhr unsere Rückfahrt antreten mussten. Doch nur weil wir wenig Zeit hatten, heißt es nicht, dass wir wenig gelernt haben. Im Museum von Buchenwald, welches früher mal die Lagerstätte für Kleidung war, gab es einiges zu sehen und zu hören. Die Kleidung der Gefangenen und selbstgebastelte Werkzeuge waren zu sehen, aber auch verschmolzenes Material durch Bombeneinschläge, der „Prügelbock“ und die Karren, die die Leichen abtransportierten.

Anschließend ging es in das Krematorium. Die Atmosphäre war bedrückend. Hier wurden die Berge an Leichen abgeladen und verbrannt, dabei vermischte sich die Asche der Toten, so dass nicht einmal ihre Familien Überreste bekamen.

Abschließend besuchten wir die Gedenkplatte auf dem Appellplatz. Auf ihr waren alle Nationalitäten der hier ermordeten Leute eingraviert. Doch sie alle hatten etwas gemeinsam, die Temperatur ihres Blutes. Als wir die Platte berührten spürten wir ihre Wärme, 37,5°C, und gedachten der Toten. Bis zur Befreiung 1945 verloren hier ca. 56.000 Menschen ihr Leben.

So eine Führung in einer Gedenkstätte zu erleben ist natürlich etwas ganz anderes, als davon bloß in Geschichtsbüchern zu lesen. Sie machte nochmal deutlich zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, und das ist z.B. auch angesichts der jetzigen Situation in der Ukraine besonders relevant. Wir müssen für eine friedliche und gemeinsame Welt einstehen und sicherstellen, dass solch ein Hass nie wieder in unserer Gesellschaft Fuß fasst.

Martin (10b) und Mariam (10c) 

… und aus Sicht der begleitenden Lehrkräfte

Nachdem sich die 10. Klassen im Geschichtsunterricht der vorangegangenen Wochen mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt hatten, brachen am vergangenen Montag (4. April 2022) zwanzig Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs in Begleitung von Frau Zausch und Herrn Braun auf, um drei Tage in der Gedenkstätte des ehemaligen NS-Konzentrationslagers Buchenwald in der Nähe von Weimar (Thüringen) zu verbringen. 

Zentrale Ziele der Exkursion sollten sein, die Inhalte des Schulunterrichts zu ergänzen und ein noch tieferes Verständnis der NS-Gesellschaft und -Ideologie sowie der Instrumentarien der Ausgrenzungs-, Verfolgungs- und Vernichtungspolitik während der Zeit des Nationalsozialismus zu erlangen. Auch sollten die Schülerinnen und Schüler, die sich extra für diese Exkursion beworben hatten, argumentativ gestärkt werden, um selbständig gegen Leugnung von NS-Verbrechen und aktuelle Erscheinungen von Stigmatisierung und Ausgrenzung auftreten zu können.

Unserer Gruppe wurden an den drei Tagen, betreut vom Leiter der Jugendbegegnungsstätte Buchenwald, Dr. Helmut Rook, konkrete Orte des Lagers gezeigt sowie Beispiele, Ereignisse, Biografien und historische Dokumente aus der Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald vorgestellt und deren Bedeutung vermittelt. Ein Nachmittag wurde in Weimar verbracht, wo Herr Rook mit den Schülerinnen und Schülern über Weimar während der Zeit des Nationalsozialismus ins Gespräch kam.

Aus Lehrersicht kann die Fahrt, die das Gymnasium Nord das erste Mal durchführte, als voller Erfolg bezeichnet werden. Die Zehntklässler arbeiteten durchgehend vorbildlich und außerordentlich interessiert mit, fragten Herrn Rook Löcher in den Bauch und reflektierten auch noch im abendlichen Gesprächskreis das Gesehene und Gehörte, das natürlich viel Betroffenheit und weiterführende Fragen hervorrief. Viel dort Gelerntes wird in Zukunft Anknüpfungspunkte für neue Informationen, Erfahrungen und Gespräche bieten. Herr Rook, bei dem wir uns ganz herzlich für seine großartige Arbeit bedanken, verabschiedete uns Lehrer jedenfalls mit den Worten: „Um diese Gruppe kann man Sie wirklich beneiden.“

Hier einige Gedanken der Schülerinnen und Schüler zu der Exkursion: 

Die einzelnen Schicksale der Häftlinge in Buchenwald nahmen mich besonders emotional mit. Die Erzählungen über den Kinderblock waren tragisch, doch die vielen Häftlinge, welche diese Kinder schützten, unterhielten und sogar ihr Leben opferten, zeugen von der Menschlichkeit und der Selbstlosigkeit der Gefangenen.“

„Besonders blieben mir die Geschichten der einzelnen Personen, wie die des Widerstandes, im Gedächtnis. Die Distanz und Nähe zu diesem Verbrechen waren gut ausbalanciert (anschaulich, aber nicht traumatisierend).“

„[…] Was mich am vor allem fasziniert hat, ist, dass trotz dessen, dass die Gefangenen völlig hilflos waren und wie Dreck behandelt wurden, viele nicht aufgegeben haben. Sie hatten einen Lebenswillen, den sie nicht aufgeben wollten.  […] Herr Rook ist ein sehr schlauer, freundlicher und offener Mensch, mit dem man sehr gerne zusammenarbeitet und dem man gerne zuhört. […]“

[…] Was ich besonders in Gedanken behalten werde, als Lehre, ist, dass Minderheiten zu jedem Zeitpunkt geschützt werden müssen. Und zwar von allen. […]

S. Braun